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„Wir erleben die Rückkehr der Normalität“

Herr Kohlbrecher, Herr Keller, von Optimismus und Zuversicht ist im Interview mit dem Vorstand der Spiekermann & CO AG die Rede. Wird diese Haltung von der Marktentwicklung gestützt?

Thomas Keller: Unabhängig davon, dass Zuversicht eine sehr gesunde Einstellung in unserer Branche ist: Vieles deutet darauf hin, dass sich einige extreme Entwicklungen ein Stück weit normalisieren. Wir haben sehr unruhige Jahre hinter uns, geprägt zuerst von der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Disruptionen globaler Lieferketten. Mit Auslaufen der Restriktionen weitete sich die Nachfrage stark aus und zehrte Lagerbestände auf. Dies führte bereits zu steigenden Preisen. Dann folgte der Krieg in der Ukraine, der die Energiepreise auf ein Mehrjahreshoch getrieben und die Inflation weiter befeuert hat. Zur Wahrung der Preisstabilität waren die Zentralbanken gezwungen, die Zinsen anzuheben, wodurch wiederum nahezu alle Vermögensklassen an Wert einbüßten. Die Phase weiter steigender Zinsen scheint vorbei, was uns wiederum optimistisch für die Marktentwicklung in 2024 stimmt.


Was heißt das für Anleger?

Mirko Kohlbrecher: Wir gehen für 2024 von einer weiteren Absenkung der Inflation aus und rechnen mit einem entspannteren Arbeitsmarkt, vor allem in den USA. Sinken dadurch die Zinsen, wird das dem Kapitalmarkt weitere Impulse geben. Wer dann nicht unbedingt auf Tagesgeld setzt und die Möglichkeit hat, am Kapitalmarkt zu agieren, sollte nach jetziger Einschätzung gute Chancen haben.

 

Als Analysten beobachten Sie nicht nur den Markt, sondern legen mit Ihrer Analyse auch den Grundstein für Anlageentscheidungen bei der Spiekermann & CO AG. Was nehmen Sie aus den Entwicklungen der zurückliegenden Jahre mit in die Zukunft?

Mirko Kohlbrecher:Mir gibt vor allem die Geschwindigkeit, mit der sich Narrative heute bilden und verbreiten, zu denken. Erst vor kurzem kam das Narrativ in die Welt, dass sich die hohen Zinsen und Inflation lange halten werden. Darauf sind viele eingestiegen. Nur zwei Monate später war dann schon das neue Narrativ in der Welt: die Zinsen fallen. Das habe ich selten so erlebt. Das erfordert eine enorm schnelle Reaktionsfähigkeit.

 

Und wie haben Sie reagiert?

Thomas Keller: Wir haben die hohen Zinssätze insbesondere im Stiftungsfonds rechtzeitig für mehrere Jahre eingeloggt, damit unsere Anleger lange davon profitieren können. Aktienseitig agierten wir antizyklisch. Unsere aktive Quotensteuerung hat das Aktienrisiko bei Rücksetzern aufgebaut und nach der Erholung wieder taktische Liquidität geschaffen. Wenn man für alle möglichen Optionen gewappnet sein will, die das neue Jahr bringen kann, empfiehlt es sich, einen Teil taktische Liquidität  vorzuhalten.

 

Welche Optionen haben Sie im Sinn?

Mirko Kohlbrecher: Für 2024 gibt es durchaus Anzeichen für Schwankungen. Allein für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA muss man auf verschiedene Optionen eingestellt sein. Aber nicht nur dort, in über 70 Ländern wird in diesem Jahr gewählt und manche Weiche damit neu gestellt. Taktische Liquidität und nicht zuletzt ein breites Portfolio sind unser Weg, um angemessen agieren zu können.

Thomas Keller: Der vorangegangene Anstieg am Zinsmarkt hat auch etwas Gutes - die Jahre der 0 %-Verzinsung bei Anleihen sind vorbei, sodass sich diese wieder gut in den Portfoliokontexteinbetten. Aus dem Blickwinkel der Portfoliotheorie  ist der sogenannte Multi-Asset Ansatz für 2024 wieder eine valide Option, weshalb taktische Liquidität für eine reibungslose und schnelle Umschichtung zwischen den einzelnen Anlageklassen unabdingbar ist.

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